Beim Grasmähen

Fritz Griebel: Beim Grasmähen, 1935, Rötel/Papier, 48 x 63 cm, FG 0964

Die querformatige Rötelzeichnung zeigt auf einer Anhöhe eine stehende junge Frau. Sie trägt eine langärmelige Bluse und einen langen Rock. Ihre Füße sind nackt. Sie dreht ihren Oberköper leicht zum Betrachter hin und blickt ihn an. Ihr Gesicht wird vom Kopftuch etwas verschattet. In der einen Hand hält sie eine Sichel. Auf dem Rücken trägt sie ein großes gebundenes Tuch, in welchem sie das abgeschnittene Gras gelegt hat. Zwei Schafe grasen auf der Wiese zu ihren Füßen.

Im Hintergrund sehen wir ein paar Felder, dahinter ein kleines Dorf vor einer teilweise bewaldeten Hügellandschaft. Einige Wolken beleben den Himmel.

Pieter Bruegel: Die Kornernte, 1665, Öl/Holz, 119 x 162 cm. Metropolitan Museum of Art, New York, online collection (Met Objekt ID 435809). Quelle: wikipedia.org

Das seinerzeit in der bekannten Galerie Nierendorf in Berlin ausgestellte Bild ist im weitesten Sinn ein so genanntes Erntebild. Die im Leben unerlässliche Ernte als wichtiger Teil der Feldarbeit hat auch in der Kunst eine bedeutende Rolle. Am häufigsten sind Getreide-, Heu- und Weinernten dargestellt, seltener Obst- und Kartoffelernten. Bereits in der ägyptischen Wandmalerei und Reliefkunst wird die Getreideernte durch Einzelfiguren von Schnittern und Garbenbindern, aber auch als Massenarbeit mit Aufsehern, wiedergegeben.

Im mittelalterlichen Monatszyklus wird der Monat Juli in der Regel durch den Schnitter, der August durch den Garbenbinder, der September durch den Winzer veranschaulicht. Im Stundenbuch (Très Riches Heures, um 1410–1416) des Herzogs von Berry (1340–1416) wird die Schilderung nun umfassender, indem die Landschaft miteinbezogen wird. Auch die allegorischen Vier Jahreszeiten – ein beliebtes Thema Griebels –, deuten ebenfalls auf die Ernte hin (Herbst). Erste bedeutende Gestaltungen des Erntethemas in der Tafelmalerei sind Pieter Bruegels dem Älteren (1525–1569) Heuernte und Kornernte.

Jean-François Millet: Die Ährenleserinnen, 1857, Öl/Lwd., 83, 5 x 110 cm. Musée d‘Orsay. Quelle: wikimedia.org

Im 19. Jahrhundert sind Erntebilder zahlreich. Das weltanschauliche Verständnis differenziert sich: Die Schilderung von Größe und Mühe der Feldarbeit treten in den Vordergrund – anschaulich dokumentiert in den Ährenleserinnen von Millet (1814–1875). Sozialkritische Ansätze tauchen auf, aber auch die Verklärung des Landlebens, bis hin zu konservativen, zum Teil auch antizivilisatorischen und in der deutschen Kunst um 1900 auch „völkische“ Vorstellungen.

Fritz Griebels Kunst in den 1930er-Jahren kennzeichnet einerseits eine surreale Antikenrezeption und andererseits eine gewisse realistische Beobachtung seiner fränkischen Umwelt. Letztere basiert sicherlich auf seinen Lehrer Rudolf Schiestl (1878–1931), mit dem sich Griebel sehr verbunden fühlte. Beide Künstler entdeckten wandernd die vielfältige Nürnberger Landschaft.

Rudolf Schiestl: Hopfenlandschaft 2, undat., Radierung, 33,5 x 50 cm. Galerie Jacobsa, Nürnberg

Gegensatz zum schweren Stil Schiestls zeichnet sich Griebels Strich durch Leichtigkeit aus. Evoziert Griebel durch die Schafe und die Einsamkeit der Frau eine romantische Stimmung, wird diese jedoch durch das selbstbewusste Auftreten der jungen Frau konterkariert. Rechts von ihr steht das Gras noch beinhoch, doch Griebel stellt sie nicht gebückt bei der Arbeit dar, wie sein französischer Malerkollege Millet, sondern aufrecht stehend. Stolz blickt sie uns an. Griebels Bildnis der jungen Frau ist eine anthropologische Studie, die in Haltung und Mimik auf subtile Weise veranschaulicht wird. Auf wenige pittoreske Details reduziert, zeigt Griebel in diesem Werk des Monats die Würde des Menschen bar jeglicher Miserabilität.

Antje Buchwald 2018
Kunsthistorikerin