Spielsachen

Fritz Griebel: 1930er-Jahre, Kreidezeichnung, 47 x 65 cm (FG 0697)

Morgen kommt der Weihnachtsmann,
kommt mit seinen Gaben.
Trommel, Pfeifen und Gewehr,
Fahn’ und Säbel und noch mehr,
ja ein ganzes Kriegesheer
möchte’ ich gerne haben.
Hoffmann von Fallersleben (1835)

Fritz Griebel hatte eine Vorliebe für Spielzeug. Auf vielen Zeichnungen hielt er die Kinderwelt aus Bauklötzen, Puppen und Kuscheltieren fest. Antikes Spielzeug bevölkern seine Scherenschnitte und entströmen dem Gemälde „Die Spielzeugkiste“ (FG 0081). Es ist eine kindlich-heitere Welt, ein Mikrokosmos der Fantasie, Unbefangenheit und Unschuld.

Seine Zeichnung hier ist es nicht. Vor einem hölzernen Marktstand für Bekleidung und Haushaltsartikel ist diverses Kriegsspielzeug frei auf der Fläche drapiert: Eine Trommel, die den Takt für Aufmärsche angibt, ein Säbel, ein Stahlhelm, eine Kanone, die der liegenden Holzfigur den Kopf abgeschossen hat, sowie eine Eisenbahn mit Güterwaggon.

Das Bild wirkt ausgesprochen surreal und unbehaglich. Ist es zwar klar aufgebaut, entsteht doch keine überzeugende Komposition. Es ist Griebels Anwendung der Bedeutungsperspektive, die die einzelnen Bildelemente wie Versatzstücke erscheinen lässt und bedrohlich wirken: die überproportional großen Spielzeuge und die Frau im weißen Blümchenkleid mit Regen- oder Sonnenschirm. Sie überragt den Marktstand und ist in ihrer Frontalität wie eine Puppe erstarrt. Ist sie eine Mutter, die aus Überzeugung das Kinderzimmer aufrüsten will? Oder eine gute Fee, die alles Böse aus der Welt vertreibt?

Bereits mit der so genannten Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 nutzte die durch Weltwirtschaftskrise angeschlagene Spielwarenindustrie den nationalsozialistischen Taumel. Käthe Kruse beispielsweise stellte im Sommer des Jahres die Puppe „Friedeland“ vor – wahlweise als SA-Mann oder Hitlerjunge zu haben. Nach den NS-Ideologen sollte Spielzeug mehr als bisher ein wichtiges Instrumentarium zur Erziehung des „vaterländischen Gedankens“ sein. Bleisoldaten sollten Jungen auf ihren Einsatz als Soldat bei der Wehrmacht spielerisch heranführen. In der Vorweihnachtszeit ließen sich Hitler, Goebbels und Göring medienwirksam mit Kindern in Warenhäusern ablichten. Sie streichelten Kinderköpfe, verteilten zusammen mit dem Weihnachtsmann Geschenke. Das Kasperle vermöbelte nun nicht mehr den Teufel, sondern Marxisten, den britischen Premierminister Winston Churchill (1874–1965) und ,den‘ Juden. 1939 wurde das „Reichsinstitut für Puppenspiel“ gegründet.

Plakat der DFU zur Landtagswahl in Baden-Württemberg 1964. Landesarchiv Baden-Württemberg. Quelle: www.wikipedia.org

Erst mit dem Aufkommen der Friedensbewegung in den 1970er-Jahren wurde Kriegsspielzeug und Kriegsspielen problematisiert. Doch verlief die öffentlichen Diskussion eher emotional als rational.

Griebel, der mit der „Deutschen Friedensunion“ (DFU) sympathisierte, eine 1960 in der Bundesrepublik Deutschland gegründete Kleinpartei, der es um Abrüstung und Klärung der „Deutschen Frage“ ging, kritisiert mit seiner Zeichnung den Krieg der Nationalsozialisten und ihre Ideologisierung der Kinder. Sie waren als Luftwaffenhelfer tätig, waren bei der Waffen-SS, und die Hitlerjugend kämpfte im Volkssturm während der letzten Kriegsphase. Es waren Kindersoldaten – ein hochaktuelles weltpolitisches Thema. Das rostfarbene Pigment des Rötels sowie die auf Bügeln hängenden leblosen Hemden, Hosen und Kleider erwecken den Eindruck von Blut und Tod. Das Bild ist Zeugnis für Griebels lebenslange pazifistische Haltung.

Antje Buchwald 2019
(Kunsthistorikerin)

 

Literatur

  • André Postert: Kinderspiel, Glücksspiel, Kriegsspiel. Große Geschichte in kleinen Dingen. 1900–1945. München 2018.
  • Siegbert A. Warwitz/Anita Rudolf: Kriegs- und Friedensspiele. In: Vom Sinn des Spielens Reflexionen und Spielideen. Baltmannsweiler 2016.